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Erstattungsfähigkeit sonstiger Produkte zur Wundbehandlung: Was nun?

Die Ausgangslage

Spezialisierte Leistungserbringer für die Versorgung chronischer  Wunden, Hersteller von Produkten zur Wundbehandlung und  die von chronischen Wunden betroffenen Menschen stehen aktuell vor einer eher unklaren Situation bezüglich der Erstattung bestimmter Produkte für die Wundbehandlung . Es geht im Einzelnen um ein Auslaufen der Frist für die Erstattung  „sonstiger Produkte zur Wundbehandlung“ am 02.12.24. Die inzwischen geplatzte Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte die Dringlichkeit erkannt und versucht, eine weitere Fristverlängerung per Änderungsantrag an´das geplante Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit anzuhängen. Dieses sollte eigentlich Mitte November vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden, wurde nach dem Koalitionsbruch aber von der Tageordnung gestrichen. Die Fristverlängerung war damit vom Tisch. Daraufhin hat das Bundesgesundheitsministerium  durch Karl Lauterbach in einem Schreiben vom 29.11.2024 die gesamte Situation entschärft, indem es eine Empfehlung an den GKV-Spitzenverband schickte. Darin bat er um eine Verlängerung der erstattungsrechtlichen Regeln zur Verbandmitteldefinition bis zum 02.03.2025. Faktisch hat eine Anfrage oder Empfehlung des BGM keinen Gesetzescharakter.  Krankenkassen haben hier Spielräume und können eine Erstattung besagter „sonstiger Produkte zur Wundbehandlung“ ablehnen.

Welche Produkte sind konkret davon betroffen?

Es geht hauptsächlich um die Erstattung  nicht formstabiler Zubereitungen wie Hydrogele, Cremes, Salben, Lösungen, Suspensionen und Emulsionen. Weiterhin sind Produkte mit antimikrobiellen Wirkstoffen betroffen. Dazu gehören Medizinprodukte der Klasse III, die Silber, Polyhexanid, Jod oder Ibuprofen enthalten. Ihre Wirkung wird in pharmakologische-, metabolische- oder immunologische Wirkweise  kategorisiert. Insgesamt zählen sie nicht zu den Verbandmitteln,  sondern werden als „sonstige Produkte“ zur Wundbehandlung bezeichnet (Wundzentrum Hamburg, 2023). Die Situation bei Honig-Verbandauflagen bleibt bis auf Weiteres noch unklar. 

Es liegen bislang größtenteils weder Wirkstudien noch Kosten-Nutzen Nachweise über diese Produkte vor. Auch der Überblick über die Kosten ist begrenzt. Ärzte kommen dadurch  in Konflikt bei einer Verordnung, da sie nach §12 SGB V zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet sind.  

Fachgerechte Wundversorgung - wie geht es nun weiter?

Wir wollen es genauer wissen und haben dazu Marcel Trübner, Pflegetherapeut Wunde (ICW) und Fachliche Leitung des Außendienstes der Wundex – Die Wundexperten GmbH befragt. Die Wundex – Die Wundexperten GmbH versorgt im gesamten Bundesgebiet herstellerunabhängig Menschen mit chronischen Wunden.  

Marcel Trübner – Wundmanager und Fachliche Leitung
bei Wundex – Die Wundexperten GmbH

Marcel,  hat sich Dein Alltag durch den Wegfall „sonstiger Produkte zur Wundversorgung“ schon in Deinem Arbeitsalltag bemerkbar gemacht? Wenn ja, wie? 

„Ja, definitiv. Vor allem spürbar bei den behandelnden Ärzten. Hier herrscht eine große, allgemeine Verunsicherung, was noch verordnet werden darf (erstattungsfähig ist) und was nicht. Die Angst vor möglichen Regressen nimmt zu. Die Ärzte treten explizit mit der Bitte an mich heran, darauf zu achten, nur noch Verbandstoffe anzuwenden, die noch vollumfänglich erstattungsfähig sind.“

Wie entscheiden die Kassen denn aktuell ? Besteht hier eine Kulanz? Wie sieht es dadurch für Dich in den Arztpraxen aus?  

„Aufgrund der Kürze des Beschlusses gibt es seit dem 02.12. keine nennenswerten Rückmeldungen seitens der Krankenkassen. Es bleibt also abzuwarten, wie die Krankenkassen auf diesen  Beschluss reagieren. Sicherlich sind Einzelfallentscheidungen denkbar, dafür muss aus meiner Sicht der bürokratische Aufwand für den behandelnden Arzt deutlich verschlankt werden. Wie bereits in der Eingangsfrage erläutert, bemerke ich in Gesprächen mit den Ärzten eine deutliche Unsicherheit und die vermehrte Bitte um Unterstützung bei der Auswahl erstattungsfähiger Verbandsmaterialien. “ 

Was sagen die betroffenen Patienten zu diesem Thema?

„Ein Großteil meiner Patienten hat unabhängig von den Kostenträgern kaum bis keine Information über den Wegfall der bisher verordnungsfähigen Verbandstoffgruppen erhalten. Viele reagieren mit Unverständnis und sind aufgebracht über die unzureichende Information seitens der Kostenträger. Andere Patienten wiederum zeigten sich resigniert und wenig verwundert, da für sie eine stetige Kürzung von Leistungen nahezu zur Gewohnheit geworden ist.“

Welche Alternativen zu Silber gibt es aus deiner Sicht? Gibt es überhaupt Welche? Wird nun vermehrt Antibiotika (systemisch) verordnet ?

„Aus meiner Sicht werden wir zukünftig mehr auf Produkte zurückgreifen müssen, deren Wirkweise rein physikalisch ist und somit Keime, Pilze und andere Erreger bindet und so die Keimzahl reduziert (z. B. Hydrofaserverbände, DACC-Kompressen). Ich habe bislang nicht den Eindruck, dass die Anzahl an systemisch verordneten Antibiotika durch den Beschluss deutlich zugenommen hat. Ich könnte mir jedoch sehr gut vorstellen, dass die Thematik mit lokalantibiotischen Salben/Cremes wieder deutlich zunimmt. 

Verändert sich Deine Arbeitsweise bezüglich der Hygiene?

„Nein, ob erstattungsfähig oder nicht – ein hygienisches Arbeiten steht immer mit höchster Priorität im Vordergrund.“  

Stichwort Debridement: Wie wird das in Zukunft ohne Hydrogele aus Deiner Sicht aussehen?

„Ich persönlich halte es für sinnvoll, dass die Befähigung zum scharfen Abtragen von Belägen durch Nachweis der jeweiligen Kompetenz auf weiteres medizinisches Personal übertragen werden kann. Diese mögliche Vorgehensweise unterstrich auch die ICW im  Positionspapier von 2024 („Debridement chronischer Wunden – wer darf was ?“).“  

Wie sieht Deine persönliche Einschätzung zu diesem Thema aus? 

„Ein Wegfall von diversen „antiseptischen Präparaten“ und anderen Produkten kann folglich zu einer verlängerten Behandlungsdauer führen. Unter Umständen werden die behandelnden Ärzte vermehrt an Fachärzte vermitteln, um eine mögliche Infektion vorzubeugen. Dies würde eine noch größere Belastung für Fachärzte und auch Krankenhäuser bedeuten. Eine weitere Reform dieser Verordnung ist unabdingbar zugunsten  der Patientinnen und Patienten.“ 

Die WundWissen Akademie bedankt sich für dieses informative Gespräch.

Quellen:

BVMed (2024). www.bvmed.de. Zugriff am 19.12.2024. Verfügbar unter: Lauterbach empfiehlt Fristverlängerung zur Wundversorgung bis 2. März 2025 – BVMed

Pharmazeutische Zeitung (2024). www.pharmazeutische-zeitung.de. Zugriff am 19.12.2024. Verfügbar unter: GKV: Erstattung für Wundversorgung wird verlängert 

Sellmer, W., (2024).www.werner-sellmer.de. Zugriff am 19.12.2024. Verfügbar unter: Untitled

Wundzentrum Hamburg (2023). www.wundzentrum-hamburg.de. Zugriff am 19.12.2024. Verfügbar unter: Ziele/wp-content/uploads/Standards/03-2021/WZ-IN-007-V03-Erstattungsfaehigkeit-von-Produkten-und-Methoden-des-zeitgemaessen-Wundmanagements.pdf) 

 

 

 

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